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Quer durch Mitteleuropa

Mit Schwerpunkt Mittelpolen

Familienforschung von Brigitte Marufke

Lache


           Schussenze          Schenawe


Blick auf das Gut vor Lache

Foto: Brigitte Marufke 2004



Das Dorf Lache (Smieszkowo)


Das Dorf Lache unterscheidet sich in Form und Ausrichtung von denen anderen, alten Dörfern des Primenter Klosterlandes. Lache ist ein sehr lang gezogenes Straßendorf, das von Nord nach Süd verläuft. Die alten Dörfer wie Altkloster (Kaszczor), Schussenze (Ciosaniec) oder Mauche (Mochy) liegen parallel zum Obrabruch, der sich von Ost nach West erstreckt und sie haben durch die mittelalterliche Ansiedlung der deutschen Kolonisten deren Siedlungsstruktur als Haufendorf im Kern beibehalten.


Die älteste Besiedlung südlich des Obrabruches fand in dessen direkter Nähe statt, weiter nach Süden schloss sich ein dichter Urwald an, der erst in der frühen Neuzeit gerodet wurde, somit gehören die Dörfer Schenawe, Lache und Friedendorf zu den jüngeren Siedlungen in der schlesisch-großpolnischen Grenzregion. Das Zisterzienserkloster Mariensee in Fehlen, seit 1418 in Priment (Przemet), genoß die Vorzüge des Magdeburger Rechtes; die Selbstverwaltung und steuerliche Begünstigungen, die ihnen auf ewige Zeiten verliehen waren. Die ewigen Zeiten waren aber im 16. Jahrhundert bereits vorbei. 1520 wurden in Polen 52 Tage Frondienst für alle Bauern Pflicht, 1523 verloren alle Bauern ihr freies Spracherecht vor Gericht und benötigten seither einen Vormund. Die Leibeigenschaft wurde überall durchgesetzt und die Bauern entgültig geknechtet. 1537 beschloß der Sejm, daß fortan nurmehr polnische Adelige hohe kirchliche Ämter inne haben durften. Erst nach und nach wurden diese Beschlüsse umgesetzt. Im Zisterzienserkloster Obra wurde 1552 mit Waffengewalt die Einsetzung des ersten polnischen Abtes durchgesetzt. Die z.T. aus dem Rheinland stammenden Mönche flohen nach Schlesien. 1554 erhält auch das Kloster in Priment mit Stefan II. Siemienski (1554-1561) den ersten polnischen Abt. Der Chronist aus dem Mutterkloster Paradies, Augustyn Dobrowolski, vermerkt, das er für sein Amt nicht geeignet war, noch nicht einmal Mitglied des Zisterzienserordens war, sondern aus einem Karmeliterkloster kam und sich das Amt auf unlautere Weise verschaffte. Habgier und Misswirtschaft, verbunden mit klimatischen Katastrophen ließen diesen ungeeigneten, unchristlich handelnden Mann rasch scheitern. 1561 ersetzte der Posener Bischof ihn durch Johannes III. Wegorzewski. Da er sich selbst nicht in der Lage sah, die wirtschaftliche Situation rasch zu verbessern vergab er große Teile des Klosterlandes an seinen Freund, Andrzej Opalinski (1540-1593), den mächtigsten Adeligen der Umgebung. Opalinski war Grundherr der Herrschaft Luschwitz, die sich über Brenno, Ilgen (Lgin) bis nach Tillendorf (Tylewice) erstreckte. Zudem war er Kastellan von Priment und einer der angesehensten und mächtigsten Männer Polens. Er erhielt nicht nur den Westteil mit Schussenze und den weiten Waldgebieten an der Grenze zur Pacht, sondern tauschte das große Dorf Weine (Wijewo) gegen das kleine Vorwerk Buchwald (Buczyna) ein. Ohne Zweifel ein sehr schlechtes Geschäft für das Kloster – ein Freundschaftsdienst von Abt Jan III., an dem er sicherlich auch seinen Vorteil hatte.
Andrzej Opalinski war nicht nur ein mächtiger Mann, er hatte auch den Ruf ein guter Gutsverwalter und Grundherr zu sein. Zudem war er ein überzeugter Katholik, was in jener Zeit im polnischen Adel eine Seltenheit war. 1552 war Fraustadt (Wschowa) und fast das gesamte Fraustädter Land protestantisch geworden. Das schlesische Schlawa (Slawa) und das polnische Fraustadt waren Hochburgen des Luthertums, gegen das sich Andrzej Opalinski mit aller Macht stemmte. Seine Gebiete blieben katholisch, sowohl die polnischen als auch die deutschen Bauern.


Um seine eigene wirtschaftliche Macht zu stärken und gleichzeitig den Katholizismus gründete er eine ganze Reihe neuer Siedlungen, so auch das Dorf Lache, das als seine letzte Gründung gilt und um 1592 angelegt worden ist. Die Siedler stammten vermutlich aus der katholischen Lausitz. Die Namen dieser Siedler sind leider nicht mehr bekannt, aber aus späterer Zeit kann man den Kirchenbüchern entnehmen, das es hier vor allem eine ganze Reihe von großen Bauernhöfen (Hufenbauern) gab, die in Form eines Straßendorfes, das von Nord nach Süd verlief, angesiedelt worden waren. Namentlich zu nennen sind hier: Klim(p)ke, Liesebach, Pogatzke (der Schulzenhof), Rösler, Schmeiser, Schönknecht, Winsker, Woydschiski und Zacher.


Im Jahr 1643 wird das Dorf unter dem Namen „Lacha“ erwähnt, 1654 „Lachow“ und „Lache“. Der polnische Name Smieszkowo ist eine Übertragung aus dem missverstandenen Namen, den man vom Lachen herleitete und nicht von der Lache, Luge, also einer nassen Niederung.
Mit dem Tod des Andrzej Opalinski endet die absolute Bedeutung dieser Familie. Sein Erbe verkauft den Luschwitzer Besitz an einen Verwandten und widmet sich weiterhin der großen Politik. Kirchlich unterstanden die neuen Dörfer, die ja auf dem gepachteten Klosterland angesiedelt waren, der Pfarrei Altkloster. Da die Bevölkerung in Lache und Scharne deutschsprachig war, ist zu vermuten, dass sie sich von Anfang an nach Altkloster orientiert haben und daher die Option einer kirchlichen Zuordnung wie im Falle Weines nach Brenno nicht in Frage kam. Aus diesem Grunde stiftete Lukasz Opalinski (1574-1654) um 1621 in Lache eine eigene Kirche. Die erste, dem heiligen Andreas geweihte Kirche bestand aus Holz und wurde offensichtlich nicht gut gepflegt, was Rückschlüsse auf den nicht vorhandenen Wohlstand zuläßt. In einer Urkunde aus dem Jahre 1725 wird die Kirche schon als „uralt“ bezeichnet, obwohl sie ja erst 100 Jahre alt war.


Um 1720 war die Kirche bereits derart baufällig, das sich Patronatsherr Radomicki, Pächter von Weine, genötigt sah sie zu erneuern. Den Neubau leitete der Pfarrer Christoph Ruß, der 1725 fertiggestellt war. 1727 gewährt der Papst der St. Andreas Gemeinde zu St. Andreas einen 10-jährigen Ablass, der 1792 wiederholt wird und seit dem 30.8.1870 auf ewige Zeiten verlängert wurde.
Die neue Kirche überstand nur drei Jahre, dann brannte sie ab (7.10.1729). Es hieß, eine Frau sei dort irrtümlich eingesperrt gewesen und durch sie sei es zu dem Brand gekommen. Pfarrer Ruß mußte sich somit erneut um Gelder und den Neubau bemühen. Bereits 1731 war die inzwischen dritte Kirche fertiggestellt und sogar schöner als zuvor, denn man hatte sie durch einen Holzturm ergänzen können.


Das Jahr 1793 war auch für die Geschichte Laches von großer Bedeutung. In jenem Jahr wurde Polen das zweite Mal von den Nachbarn geteilt und Großpolen (Wielkopolska) fiel an Preußen, die sich sofort daran begaben die Verwaltung neu zu strukturieren. Durch den Wegebau, die Forstwirtschaft kam der Handel in Schwung und überall in den Dörfern, vor allem durch die Bauernbefreiung nach 1815 wurde die Landbevölkerung beweglich. Durch die freie Verfügbarkeit über Grund und Boden kam es nun zu den unterschiedlichsten Erbregelungen. In Lache bedeutete dies, dass die Bauern ihr Land aufteilten und somit die Gesamtbevölkerung des Dorfes anstieg.


Im 19. Jahrhundert trat dann ein Effekt auf, der typisch ist für viele Grenzdörfer. War Lache bis ca. 1850 noch rein deutsch geprägt, so kamen nun nach und nach Polen ins Dorf. Anfangs ging es über die Einheirat auf einen kleinen Bauernhof, wobei zu vermerken ist, das diese Neusiedler in der nächsten Generation schon deutschsprachig waren, wenngleich nun mit einem polnischen Familiennamen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kippte diese Entwicklung. Immer mehr polnische Arbeiter und Kleinbauern kamen ins Dorf, während der Nachwuchs der deutschen Bauern es vorzog sich im Westen, im Ruhrgebiet oder im Raum Berlin eine lukrative Arbeit zu suchen, statt für wenig Geld auf dem Gut zu arbeiten. Bis zum Jahre 1920 wird so aus Lache, das noch 100 Jahre zuvor fast zu 100 % deutsch war, ein Dorf mit einem noch wachsenden Anteil von 42 % Polen.


Das beginnende Kaiserreich brachte die Menschen in seelische Konflikte. Zum einen war man Stolz auf den erreichten Nationalstaat, zum anderen wandte sich dieser gegen sie, nämlich im sogenannten Kulturkampf gegen die katholische Kirche. Dieser politische Schlag richtete sich vor allem auch gegen die Polen. Die deutschen Katholiken im Kirchspiel Lache saßen damit zwischen allen Stühlen und das über einen Zeitraum von mehreren Generationen. Mit der Einführung des Deutschen als alleinige Unterrichtssprache wurden die Deutschen vom Polnischen entfremdet, denn zuvor war es durchaus üblich, das man etwas polnisch konnte. Nun hatte man zum einen nicht mehr die Möglichkeit dies in der Schule zu lernen, zum anderen auch nicht mehr die Notwendigkeit, denn jeder Pole konnte ja nun gut deutsch. Dies wurde jedoch nicht als Problem empfunden. Das widerfuhr erst 1920 denjenigen Deutschen, die unter polnische Herrschaft kamen, wie im Nachbardorf Scharne.


Der Kulturkampf wirkte sich auch auf die Verhältnisse in Lache aus, denn genau in der heißen Phase dieses politischen Kampfes verstarb der Pfarrer Ferdinand Meisner (1815-1875, Propst seit 1856). Da es den katholischen Priestern verboten war außerhalb ihres Kirchspiels seelsorgerisch tätig zu werden, saß sich Propst Robert Leo Veith aus Brenno gezwungen seinen Amtsbruder in seinem Kirchspiel, auf dem Friedhof in Brenno zu beerdigen. Ein Nachfolger konnte ebenfalls nicht bestellt werden, so wurde Lache von Schussenze aus mit verwaltet. Erst 1891 erhielt Lache wieder einen eigenen Priester, nämlich Johannes Fröhlich.


Den nächsten großen Einschnitt in der Geschichte Laches stellt der verlorene Weltkrieg dar. Zwar waren weder Lache noch Scharne und Weine von den polnischen Aufständischen erobert worden, aber der Krieg holte sie doch ein, denn das deutsche Militär war mit der von der Grenzkommission vorgenommenen Grenzziehung nicht einverstanden, denn das deutsche Röhrsdorf – direkt vor den Toren der Kreisstadt – kam zu Polen. In einer kleinen Grenzkorrektur wurden die Dörfer Weine und Scharne an Polen abgetreten und Röhrsdorf kam zu Deutschland. Damit war auch das Kirchspiel Lache geteilt. Die gut nachbarschaftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen wurden in der Zwischenkriegszeit auf eine schwere Probe gestellt, denn um von Scharne nach Lache zu kommen, mußte man über die Grenzstation Kaszczor (Altkloster) gehen, was einen Umweg von fast 20 km bedeutete.


Für Lache bedeutete die Grenzlage eine erhebliche und zwar unnatürliche Entwicklung. Viele Polen wollten lieber in ihrem Nationalstaat leben und optierten für Polen, d.h. sie tauschten ihre Höfe mit Deutschen, die nicht in Polen bleiben wollten. Somit kam es zu einem radikalen Bevölkerungsaustausch in Lache. Vor allem aus den großen deutschen Dörfern Mauche und Altkloster kamen viele Optanten, wie die Familien Starzonek, Seidel, Zboralski, Boving, Durek, usw. Diese waren alle katholisch, doch die Optanten aus der weiteren Provinz Posen waren evangelisch, so daß Lache nun erstmals einen größeren Bevölkerungsanteil nichtkatholischer Bevölkerung bekam. Staatlicherseits wurde für sie Ende der 20er Jahre eine eigene Kapelle in Lache gebaut. Man war bemüht, das Leben und Deutschtum in dieser Randlage zu stärken. Man findet diese Tendenz in vielen Bereichen des Lebens, es wurden Vereine gegründet, wie Musikvereine, Freizeitvereine oder kirchliche. So erhielt Lache 1929 eine eigene Caritasstation unter der Leitung von Schwester Oberin Sidora Kotzen von den Grauen Schwestern in Breslau.


Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann ein neuerlicher Kirchenkampf, dem auch in Lache zwei angesehene Bewohner zum Opfer fielen. Zum einen der Lehrer und Kantor Otto Grabs und der Pfarrer Johannes Nowak. Grabs mußte 1933 seine Stelle aufgeben und wurde aus politischen Gründen nach Kreutz (Ostbahn) strafversetzt. Ebenso erging es Pfarrer Nowak, der von dem Parteileiter Otto Neiß, dem evangelischen Gastwirt in Lache, angezeigt worden war, weil er etwas gegen die Staatsehe gesagt haben sollte. Nowak kam noch glimpflich davon und wurde ebenfalls nur strafversetzt (1938). Andere Priester bezahlten ihre Glaubenstreue in jener Zeit mit dem Leben.


Mit Kriegsbeginn 1939 begannen erneut die Leiden der Bevölkerung. Die Söhne, Väter und Brüder mußten in den Krieg ziehen und aus der Nachbarschaft wurden ihnen Polen – zwangsweise – als Landarbeiter zugewiesen. Die Begünstigten hatten Anweisung jeglichen engeren Kontakt zu ihnen zu meiden, denn Rassentrennung war oberstes Staatsziel. Viele haben sich aus christlichem Empfinden nicht daran gehalten, andere wiederum die Situation schamlos ausgenutzt und ihre Zwangsarbeiter unmenschlich behandelt. Zeiten wie diese fördern das Schlechte im Menschen, zumal wenn man den Schlechten die Macht überträgt. Die Hauptschuld daran trägt das Regime, aber der einzelne kann sich da nicht herausreden, denn vieles ist ohne direkte Not und Gefahr geschehen. Zu diesen Notzeiten gehören auch noch die Geschehnisse nach 1945 – nur mit umgekehrten Vorzeichen.


Am 22.1.1945 kam der Befehlt zur „Evakuierung“ Laches, da die Region zum Kampfgebiet würde. Frauen, Kinder, Alte und Kranke mußten sich auf den Weg nach Lansitz (Lezyca) bei Grünberg (Zielona Góra) machen. Aus der Evakuierung wurde rasch eine Flucht und Vertreibung. Vorbildlich verhielt sich der aus dem Rheinland stammende Pfarrer Wilhelm Planzen, der seine Gemeinde auf der schweren Flucht stets voran begleitete, das Kreuz um die Brust tragend.


Von Lansitz aus ging es weiter gen Sachsen, nach Riesa, Mautitz und Taura, wo sich ein großer Teil der Lacher niederließ. Bürgermeister Josef Michalewitz, der bei einem Fliegerangriff umkam, hatte zuvor noch einen Ausweichraum bei Cottbus gefunden, wohin ein Teil der ehemaligen Bewohner von Lache zog, da hier noch nicht so viele Flüchtlinge waren.


Auch die Zeit nach 1945 beförderte unter der russischen Herrschaft das Schlechte der Menschen ans Tageslicht. Man ließ den Opfern des Krieges freie Hand zur Rache. Das was jedes Rechtssystem verbietet, war nur erlaubt und die Herrschenden ließen die Menschen gewähren. Opfer waren nun die Deutschen – aber nicht die Täter von einst, sondern andere, unschuldige, die nur das Pech hatten ebenfalls dem Tätervolk anzugehören.
Nur wenige Lacher Familien blieben 1945 in der Heimat und denen erging es sehr schlecht. Der evangelische Gustav Mertinke wollte nicht noch einmal seine Heimat verlieren und blieb in Lache. Er wurde mit seiner Frau von Polen erschossen. Das alte Ehepaar Ignaz Wojciechowski kam durch die Russen ums Leben.


Der Neuanfang ging nur langsam voran. Zu den ersten Polen, die sich in Smieszkowo (Lache) niederließen gehörte Franciszek Kurpisz. Er war in Lache geboren und mußte 1920 nach Polen optieren, da er noch keine 21 Jahre alt war und sein Vater den Hof mit einem evangelischen Deutschen getauscht hatte. Im Sommer 1945 übernahmen polnische Bauernsöhne aus der Nachbarschaft, oftmals ehemalige Zwangsarbeiter die besten Höfe in Lache. Die von den Sowjets vertriebenen Polen aus der Region hinter dem Bug wurden hier später angesiedelt. Der Neuanfang war für alle mühselig: für die vertriebenen Lacher und die neuen Bewohner.
Dr. Martin Sprungala, Heinrichstr.56, 44137 Dortmund, www.sprungala.de
 



 

 

 

 

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